
Rundum sensibilisiert
Johannes King, 50, Betreiber des Söl'ring Hof auf Sylt, erkochte sich mit seinen kulinarischen Kreationen zwei Michelin-Sterne. Nehmen wir Rote Bete. Wie bereite ich sie zu? Im Vakuum? Über Nacht im Backofen bei 100 Grad? Trag ich die Schale ab? Pürier ich sie? Soll sie süß-sauer schmecken oder erdig? ... Sich festzulegen ist eine Kunst. Ein Spitzenkoch muss souverän sein, auch mal Mut beweisen für Zutaten und Techniken, die auf den ersten Blick abwegig erscheinen. Ein guter Koch hat sich selbst gefunden. Doch bis es so weit ist, vergeht Zeit. Als ich mit 15 eine Kochlehre im Hotel machen sollte, führte mein Vater das Vorstellungsgespräch. Ich saß daneben und nickte. Im dritten Lehrjahr machte es klick: Das ist mein Ding! Und dann kam dieser Koch aus Frankreich in unsere Küche, Jean, der hatte bei den Großen gearbeitet. Er war kreativ, zeigte mir Dinge, die ganz anders waren. Zauberte eine Creme aus pürierter Orangenschale, garniert mit Nussbiskuit, dazu ein Orangensorbet. Irre. Die Berufsschule schloss ich dann als Landesbester ab. Ich ging zu Franz Keller, Sternekoch in Köln. Nach Wien in eine Konditorei. Zu Levi und Witzigmann nach Berlin, damals die einzigen Köche Deutschlands im 2-Sterne- Bereich. Dazwischen immer wieder Praktika in Frankreich, das Meer vor der Tür, im Hinterland das Languedoc, Wild, Pilze, Beeren, dicht, frisch. Man muss seinen Geschmack in alle Richtungen sensibilisieren. Heute kann ich Aromen sofort abrufen, weiß, ob sie das Zeug haben, meine Gerichte zu veredeln. Die Geschmacksexplosion auf dem Teller lässt sich aber mit keiner festen Formel berechnen. Das macht es ja so schwierig. Dafür braucht man Gespür. Doch jemand, der immer nur mit dem Kochlöffel im gleichen großen Kipper rühren muss, wird sein Talent nie entfalten können. Text: Susanne Krieg | Fotos: Thomas Meyer | GEO 03/2014 | www.geo.de
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