
Nachhaltigkeit bedeutet Verzicht
Johannes, was genau macht nachhaltige Fischerei aus?
Wir haben vor einigen Jahren damit angefangen, keine Fische mehr zu verwenden, die südlicher als Hamburg schwimmen. Das heißt, wir mussten uns sehr ausgiebig mit den Jahreszeiten von Fischen beschäftigen. Wenn man der Fischtheke im Supermarkt heute glaubt, haben alle Fische zwölf Monate lang Saison, aber das stimmt nicht. Diese ständige Verfügbarkeit erreicht man nur durch Bestrahlung und Doping – so etwas wollen wir nicht. Wir wollen gute, ehrliche Produkte haben. Bei Fischen ist es genauso wie bei Obst und Gemüse: Jede Art hat auch ihre Jahreszeit. Wenn man sich einfach nach diesen Zeiten richtet, kann man das schon nachhaltige Fischerei nennen. Das Thema Nachhaltigkeit klingt oft kompliziert, aber wenn wir uns einfach an den Kreislauf und die Selektion halten, die uns die Natur vorgibt, handeln wir automatisch nachhaltig. Es gibt teilweise gesetzlich vorgegebene Schonfristen für Fische, zum Beispiel zur Laichzeit. So können genügend junge Tiere schlüpfen und die Population der Art erholt sich.
Was für eine Rolle spielt Nachhaltigkeit hier in der Region?
Es gibt inzwischen immer mehr Produzenten von Nordseeprodukten, die darauf achten, die Zeiten und Fangquoten der Tiere einzuhalten. Man muss sich als Verbraucher einfach daran gewöhnen, dass nicht immer alles zu jeder Zeit verfügbar ist. Nachhaltigkeit bedeutet also Verzicht! Im Umkehrschluss hat man aber auch den Vorteil, dass man zu bestimmten Zeiten mit einer Top-Selektion und saisonalen Delikatessen rechnen kann. Die Qualität ist einfach besser.
Welche Fische haben wann Saison in der Nordsee?
Ab Mitte Juni ist Matjes-Zeit. Wenn man diesen Fisch bis Ende August zubereitet, hat man wirklich ein unglaublich gutes und leckeres Produkt. Auch Meeräsche und Knurrhahn gibt es im Moment. Außerdem steht Makrele auf unserem Speiseplan, das dauert ungefähr noch bis September. Danach bieten wir diese Fischarten einfach nicht mehr an. Dann gibt es aber wieder Wittling und auch Krabben. Eigentlich ist die beste Zeit für Krabben der Herbst, denn im Sommer fressen sie sich richtig voll und wechseln so in die kalte Jahreszeit. Das wirkt sich deutlich auf den Geschmack aus.
Was hältst du von Fischzucht in Aquakulturen, also künstlich angelegten Fischfarmen?
Um diese Art der Zucht werden wir aufgrund der hohen Nachfrage nach Fisch nicht herum kommen. Aquakultur ist aber nicht gleich Aquakultur. Teilweise werden die Fische auf engstem Raum gehalten und mit Pellets gefüttert, sodass sie quasi explodieren. Das ist nachteilig für die Tiere selbst und die Umwelt. Es darf auch nicht sein, dass man zwei Kilogramm Wildfisch fängt und zusätzlich verfüttern muss, um ein Kilo Zuchtfisch zu produzieren, das ist ja Unsinn. Das wurde leider viele Jahre lang so gehandhabt und auch massiv subventioniert. Allerdings hat sich das Verhalten der Produzenten schon sehr verändert. Man geht heute viel eher dazu über, die Fische unter so natürlichen Bedingungen wie möglich zu züchten und den Tieren mehr Zeit zum Wachsen zu lassen. Der Fisch ist dann vielleicht etwas teurer, aber die Kunden akzeptieren das und messen das Produkt an der Qualität, nicht am Preis. Ein gutes Beispiel für eine schonende Aufzucht und einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt sind Norwegens Aquakulturen, in denen die Fjordforelle gezüchtet wird.
Auch Kaviar wird auf Zuchtfarmen produziert. Worauf achtest du dabei?
Genau, wilde Störe gehören zu den extrem bedrohten Tierarten, deshalb werden die Störe für die Kaviargewinnung auf Fischfarmen gezüchtet. Auch hier begegnen einem große Unterschiede. Es gibt die berüchtigten, tennishallengroßen Anlagen, in denen man durchgehend 32,5 Grad Durchschnittstemperatur hat und UV-Licht einsetzt, damit die Fische denken, es sei immer Tag. So fressen und wachsen sie sehr viel schneller und sind in zwei bis drei Jahren "fertig“. Bei meinem Partner Caviar House Prunier, wo ich meinen Kaviar produzieren lasse, haben sie eine offene Anlage, die sich in der freien Natur befindet. Die Tiere leben auch in Becken, allerdings werden diese von einem Fluss gespeist, der dort entlang fließt. Die Fische erleben Frühling, Sommer, Herbst und Winter, ebenso Tag und Nacht. Neunzig Prozent des Wachstums findet von Mai bis Oktober statt und im Winter eben nur zehn Prozent. Das Tier hat einen ganz normalen Kreislauf und braucht deshalb fünf bis sieben Jahre, bis es soweit ist wie ein Fisch aus der anderen Zuchtform. Bei beiden Methoden handelt es sich um Aquakulturen, aber unter völlig unterschiedlichen Bedingungen. Man muss schon sehr genau hinterfragen, wie so etwas abläuft, denn auch die Zucht in Aquakulturen kann nachhaltig betrieben werden.
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